Von
Rungholt erzählt man sich heute die wundersamsten Geschichten. Man
sagt, daß man die goldenen Türme der Stadt schon zwei ganze
Tage vor der Ankunft hoch in den Wolken sehen konnte. Man sagt, der
sagenhafte Reichtum der Stadt hätte die Menschen verblendet und
letztlich zur großen
Finsternis
geführt. Man sagt, daß
die Stadt eines Tages aus den Fluten des Meeres emporsteigen wird, wenn
wieder Frieden
eingekehrt ist zwischen den Völkern Rai-Dhions.
Vielerorts in Nuriahs Städten findet man Runen, die deutlich
machen, dass man die Hoffnung auf ein neues Rungholt noch immer nicht
aufgegeben hat, dass man nicht hinnehmen will, dass die älteste
Stadt Rai-Dhions für immer auf dem Grunde des Meeres ruhen solle.
Vor etwa 5ooo Jahren war Rungholt die Hauptstadt des gleichnamigen
Königreiches,
dessen Landzunge durch das Thethys-Meer bis nach Thar reichte, und
dessen Landesgrenzen im
Osten bis ans Eismeer reichten. Der Einflussbereich
Rungholts erstreckte sich bereits damals über ganz Rai-Dhion. Die
frühen Könige schufen ein reiches Land, das den Frieden mit
den benachbarten Herrschaftsgebieten über viele Jahre bewahrte.
Später
dann, zur Zeit der Drachenkämpfe, denen viele Städte, ja
sogar ganze Reiche zum Opfer fielen, wurde die Hauptstadt von den
schwarzen Hexen eingenommen,
deren Macht zu jener Zeit um ein
Vielfaches größer war, als heute.
Mit der Verbannung des
Buches Veda
in die Unterwelt schwand der Einfluss der Hexen, so dass Rungholt seine
zweite Blüte erlebte. Viele Könige mehrten Wohlstand und
Reichtum der Stadt über die folgenden Jahrhunderte hinweg. Es
entstand
eine Metropole, wie sie in Rai-Dhion nicht ihresgleichen fand. Viele
kulturelle Errungenschaften haben in Rungholt ihren Anfang genommen:
Schulen, große Museen und Theater entstanden. Gilden bildeten
sich, Turm- und Schiffbaukunst wurden bis an die Grenzen des
Vorstellbaren weiterentwickelt. Rungholt kontrollierte
schließlich den gesamten Handel über das
Thetys-Meer und die Landwege vom
Eismeer bis nach
Aldeya.

Asmund
der Große, letzter König von Rungholt, war so sehr
machtbesessen und vom Reichtum geblendet, dass er etwa 20 Jahre vor
Beginn der großen Finsternis Scharen von Söldnern aus
Ellenor rekrutierte, um eine Armee
gegen die Zwerge aufzustellen. Seine Absicht war, die Zwerge zu
vernichten und ihre unermesslichen Schätze, die sie unter den
Tironbergen horteten, zu erbeuten. Daraus
entstand ein Krieg, in den viele Völker hineingezogen wurden.
Schon bald darauf starb König Asmund, aber der Haß unter den
Völkern war geblieben. Mehr und mehr Auseinandersetzungen,
Raubzüge und Kriege brachen uralte, zum Teil von den Göttern
selbst
geschmiedete Kontrakte zwischen den Völkern. Schließlich
griffen die Götter ein und brachten die große
Finsternis über Rai-Dhion. Der Zorn der Götter brachte
letztlich der Stadt Rungholt den Untergang. Aus dem
Thetys-Meer, dort wo
heute die große Bucht zwischen
Merkhad
und Tiron ist, ragen auch heute noch die Überreste einiger
Türme.
Geblieben von
Rungholt sind viele Erzählungen, Erinnerungen und Hoffnungen -
aber
kein Gold.