Die Magie und die Zauberkünste
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![]() Was ihm denn einfiele, sich so leise anzuschleichen, wollte die Gestalt wissen. Wer er denn überhaupt sei, daß er hier auf den Fluren der Erdmagier die Erlaubnis zu haben glaube, Türen öffnen zu dürfen. Voller Demut nannte Ranilo seinen Namen, schaute zu Boden und gelobte Besserung. Die Gestalt, wohl einer der höheren Magier, den anzutreffen Ranilo hier nicht erwartet hatte, nahm seine Hände auf den Rücken. Er ging prüfenden Blickes um Ranilo herum und lehnte endlich am Kaminsims, welcher in Schulterhöhe so manch kleinem Fläschchen als Abstellplatz diente. So, Ranilo sei sein Name. Was denn sein Begehr hier in den Gemächern von Ineas Madogh sei, wollte er wissen. Ranilo erzählte, den Blick stets ehrfurchtsvoll nach unten gerichtet, daß er nun, da er bereits zwei Trimester der Grundlagenlehre beendet habe, in die Dienste seines neuen Herrn und Meisters treten wolle. Einem nachdenklichen 'Mmh' folgte eine längere Pause, die Ranilo nicht mit Fragen zu füllen sich traute. Und warum er der Idee verfallen sei, ausgerechnet Meister Ineas würde sein neuer Herr und Meister sein, waren die nächsten Worte, die die unangenehme Stille brachen. Ranilo antwortete pflichtgemäß, daß ihm vom Rat der Akademie dieser Raum genannt worden sei, und auch die Zeit, wann er sich hier einzufinden habe. ![]() ![]() Unbemerkt hatte eine weitere Person den Raum betreten und schaute mit grimmigen Augen auf den am Kaminsims lehnenden Magier, der seinen Kopf augenblicklich tief zwischen die Schultern nahm. "Urea Jalon, verlasse diesen Raum! Auf der Stelle!" Der Angesprochene tat, wie ihm geheißen und passierte raumgreifenden Schrittes den auf der Schwelle Stehenden. Der Älteren verfolgte mit strengem Blick und mit vor der Brust verschränkten Armen, wie der andere den Raum verließ und schloss dann mit einer beiläufigen Handbewegung die große Tür. Schweigend ging er an Ranilo vorüber, setzte sich in den schweren Sessel vor dem Kamin, sah endlich zu ihm herauf und sagte mit ruhiger tiefer Stimme: "Nimm Platz, Ranilo", wobei er mit ausgestrecktem Arm auf einen kleineren, dem Sessel gegenüber stehenden Stuhl wies. Ranilo setzte sich und legte abwartend, mit gesenktem Kopf, die Hände in den Schoß. "Entschuldige meine Verspätung, Ranilo. Ich bin aufgehalten worden." "Ja, ehrwürdiger Meister", entgegnete Ranilo. "So hast du bereits Urea Jalon kennengelernt? Nun, er ist -", sagte der Magier," etwas schwierig. Er versucht die Schwächen seiner magischen Fähigkeiten durch Frechheit auszugleichen. Ich habe jedoch keine Zweifel, daß ihr miteinander auskommen werdet." Ranilo antwortete aufrichtig: "Ich werde mir Mühe geben, ehrwürdiger Meister." "Eigentlich hätte es mir die Höflichkeit geboten, mich zuerst vorzustellen, was mich jedoch nicht daran hindert, dies jetzt noch nachzuholen." Mit diesen Worten erhob er sich, was Ranilo dann ebenfalls tat. "Mein Name ist Ineas Madogh, Magier ersten Ranges und Meister der magischen Künste Mireons, seit 42 Jahren Mentor an der Magierakademie in en-Thar." Ranilo erwiderte die übliche Floskel: "Ehrwürdiger Meister, ich bin Ranilo, Sohn einer Händlerfamilie aus Acarra im Lande Nuriah, wo der Schwarzfluss ins Thyosmeer mündet." "Nun, da den Formalitäten genüge getan wurde, lass uns wiederum Platz nehmen, Ranilo." Worauf er erneut den großen Sessel aufsuchte und Ranilo bedeutete, sich ebenfalls zu setzen. ![]() "Ehrwürdiger Meister, ich hatte gehofft ..." "Ranilo, du musst wissen, daß ich das ständige Wiederholen langer Titel für reine Zeitvergeudung halte", fiel er seinem Schüler ins Wort. "Nenne mich daher Meister Ineas oder einfach nur Meister. Das reicht vollkommen aus. Doch nun beantworte meine Frage!" "Ja, Meister," sagte Ranilo und schaute auf seine im Schoß liegenden Hände. "Als Erdmagie oder schwarze Magie bezeichnet man die Fähigkeiten, Daevas zu beschwören und Tore in die Unterwelt zu öffnen oder zu schließen. Einem schwarzen Magier ist es daher auch möglich, durch die Unterwelt zu reisen, wo andere Zeiten und Entfernungen gelten. Ihre Kräfte ziehen die schwarzen Magier aus der Erde. Diese Fähigkeiten wurden ihnen von Mireon, dem wahren Gott der Erde, gegeben. - Viele der Erdmagier sind dunklen Sprüchen des Buches Veda verfallen, Meister." "Ja, Ranilo. Das ist eine der Schattenseiten, mit denen die Erdmagier sich auseinandersetzen müssen. Doch zu dem Buch Veda kommen wir später. Nun sage mir, wie groß ist dein Wissen um die sechs magischen Spiegel?" "Meister, in den alten Büchern wird von sieben magischen Spiegeln und sieben Göttern der Magie berichtet. Warum werden uns nur sechs der Künste gelehrt?" "Auch zu dem siebten Spiegel werde ich dir zu späterer Zeit genügend berichten, Ranilo. Vorab möge dir das folgende ausreichen. Der siebte Spiegel ist bislang selbst den weisesten Magiern verborgen geblieben. Es wird behauptet, er sei lediglich den Göttern vorbehalten. Über viele Jahrhunderte hinweg wurde er in allen Winkeln der Welt gesucht. Vieles deutet auf seine Existenz hin, jedoch nichts auf seine Eigenschaften, seine Quelle oder Fähigkeiten." "Ja, Meister", sagte Ranilo, ein wenig enttäuscht darüber, daß ihm sein Mentor die Antworten auf zwei seiner brennendsten Fragen noch schuldig blieb. Doch zugleich verspürte er auch gespannte Hoffnung in die kommenden Trimester seiner Ausbildung zum Magier, für die er soviel aufs Spiel gesetzt hatte. Hatte er doch eine sichere Zukunft in seiner Heimat aufgegeben zugunsten der magischen Fähigkeiten, die er tief in sich verspürte und die er hier weiter ausbilden lassen wollte. So erzählte er seinem Meister Ineas Madogh bis spät in die Nacht, was dieser von ihm wissen wollte und erfuhr im Gegenzug von ihm, wie sich seine nähere Zukunft in den Diensten der Erdmagie wohl darstellen würde. ![]() Am Ende seiner Ausbildung muss jeder Schüler eine Prüfung ablegen. Wenn diese bestanden ist, kann er sich fortan Adept der Magie nennen. Zum Magier wird er nach einer herausragenden Tat oder einer weiteren Bewährungsfrist an der Schule in en-Thar durch den hohen Rat der Magier ernannt. ![]() |
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